Storys: Festival Reports: Voices Anniversary Festival

Festival Report des VOICES FROM THE DARKSIDE 10th Anniversary Festival am 31.01.2004 im Wehrschloss, Bremen

Drei Pandas und eine Gartenfackel

Das VOICES FROM THE DARKSIDE Magazin feiert sein 10-jähriges Bestehen und lädt zur Geburtstagsparty. Diese Einladung nehmen wir natürlich dankbar an. Hm, die erste Printausgabe kam doch schon 1993 raus? Und das letzte Heft 1997? Egal:

Setlist ING. OBLIVION
Intro: Unfolding
Fingernails
Nothingness
Veil Of Perception
Poetry Of The Flesh
Spiralling Out Of The World
Deconstructed Creature

Als wir um 17.45 Uhr im Wehrschloss aufschlagen, spielen INGURGITATING OBLIVION gerade ihren Klassiker "Nothingness" (Den Shouter Ulrich "Korpserotter" Kreienbrink als "Song aus einer vergangenen Epoche" absagt), dann folgt "Veil Of Perception". Der vertrackte, oft an MORBID ANGEL und NILE erinnernden Death Metal ruft beim Publikum zwar noch keine Begeisterungstürme hervor, wird aber wohlwollend beklatscht. Der Großteil der heutigen Setlist besteht aus Material des neuen Albums "Poetry Of The Flesh", das in den nächsten Wochen als Demo kursieren soll, da die Band bis jetzt noch kein Label gefunden hat. Übrigens sind sowohl Shouter Korpserotter als auch Hauptsongwriter Florian "F. Ctulhu E." Engelke Mitarbeiter beim "Voices".

Martin van Drunen & BLOODY SIGN Um 18 Uhr melden die Veranstalter: "Ausverkauft! 300 zahlende Gäste!" Leider stehen draußen noch viele Leute, die enttäuscht wieder abziehen müssen. Na, dann wird der Abend wenigstens kein Verlustgeschäft.

Da will sich natürlich auch der "Special Guest", der bereits um 18.30 Uhr auf der Bühne steht, nicht lumpen lassen: der Ex-PESTILENCE, Ex-ASPHYX und Ex-BOLT THROWER Sänger Martin van Drunen. Martin steht mit den Musikern der französischen Death/Black Metal-Band BLOODY SIGN auf der Bühne, Bassist Nathaniel Colas ist der Ex-Vocalist der Band und außerdem ein Voices-Redakteur. Das erklärt jedoch nicht, warum Nathaniel und der Gitarrist in mittelalterlichen Fell- und Plüschklamotten auf der Bühne stehen. Unser Blitzlichtluder Nina, die mit ihrer Kamera Stellung in der ersten Reihe bezogen hat, verguckt sich gleich in den hünenhaften van Drunen: "Der hat so 'ne tolle Ausstrahlung!" Egal: gleich die ersten Töne des PESTILENCE-Klassikers "Parricide" rufen bei mir unkontrollierbare Zuckungen hervor. Leider bleibt "Parricide" eine Akustiknummer, da Martin sich zwar die Seele aus dem Leib brüllt, aber das Mikro keinen Piepser von sich gibt. Das Gerät scheint sich bei Martins Gebrüll spontan an seine Gewerkschaftszugehörigkeit zu erinnern und daran, dass die Übermittlung solcher Töne nicht im Arbeitsvertrag steht. Es vergehen Minuten, bis sich ein polnisches Gerät findet, das die Arbeit ohne zu murren aufnimmt. Und bei "The Incarnation Of Lust" (ursprünglich auf der "Last one On Earth" von ASPHYX veröffentlicht) hört man zum ersten Mal seit Jahren wieder Martin's infernalische Vocals. Und der Mann hat nichts verlernt! Für das letzte Stück  holt Martin den PENTACLE-Sänger Wannes Gubbels (der auch mal bei ASPHYX gesungen hat, genau wie Martin) auf die Bühne: "Okeee! Seid ihr familiar mit eine Band ausse Schweiz, die heißt CELTIC FROST?" - Jubel - "Hier ist 'The Usurper'!" Das Ergebnis sind erneut unkontrollierbare Zuckungen. Dann ist der Spuk bereits wieder vorbei und Martin verzieht sich wieder in den Backstage-Bereich zu seinen Bier-Reserven. Und ich steh' fünf Minuten später immer noch mit offenem Mund da. Thumbs Up!

Ich nutze die Umbaupause, um mit Leif Jensen von DEW SCENTED ein Interview zu führen. Als ich wieder im Saal bin, haben PAVOR bereits einige Songs gespielt und an den Gesichtern sehe ich schon, das hier etwas nicht stimmt: "Und das machen die schon die ganze Zeit so, ich dachte erst, die wollen uns verarschen!", kommentiert Micha das abgehackte Gefrickel und Geröchel auf der Bühne. Erste "Aufhören!"-Rufe werden laut. Vielleicht sind die Jungs von PAVOR aber einfach zu gut für uns; leider fehlt auch mir die geistige Reife, um in dem theatralischen Gehampel des Fronters etwas anderes zu sehen als Hilflosigkeit. Und warum sich der (technisch unglaublich versierte) Bassist Rainer Landfermann seine sicherlich arschteure Axt dauernd an die Omme haut, bleibt auch ein Rätsel... Die Musik? Technischer Death Metal, viel zu überladen mit endlos vielen musikalischen Details, die bei der Akustik hier im Wehrschloss niemand heraushört und die darum die Musik nur zukleistern. Zu den Fakten: PAVOR wurden bereits 1987 gegründet, stellen heute Abend jedoch erst ihr zweites Album "Furioso" vor. Und auch wenn diese Band auf CD erkennen lässt, dass sie zur absoluten Speerspitze der Death Metal Musikanten gehört: Live und heute Abend ist sie weit davon entfernt. Am Ende des Gigs fragt Fronter Claudius Schwartz die Meute: "Ham wir noch Zeit für 'ne Zugabe?" "NEIN!", rufen 250 Kehlen. "Oh, 'tschuldigung....". Daumen runter!

MORRIGAN (Beliar)Nach einer sehr langen Schmink- ähem, Umbau-Pause stehen auf einmal drei Pandas und eine Gartenfackel auf der Bühne.

 SECRETS OF THE MOON sind heute Abend für LUNAR AURORA eingesprungen, die leider absagen mussten. SOTM sind 1995 gegründet worden und haben bereits einige Tapes, Splits und zwei Full Length-Alben veröffentlicht, das aktuelle Werk heißt "Carved In Stigmata Wounds" und wurde 2003 veröffentlicht. Außer mir scheinen die Jungs wohl jedem hier im Saal bekannt zu sein. Musikalisch wird Old School Black Metal geboten, wobei die Betonung hier auf OLD liegt. Ich zumindest höre tonnenweise alte Thrash Metal-Riffs heraus, was mich mehr als einmal zu anerkennendem Kopfnicken veranlasst. Micha sieht das jedoch anders: "Geschepper!"

Setlist MORRIGAN
Warstained Iron
Beyond The Green Hills
This Bitch
In Memoriam
Mists Of Mag Da Cheo
Thy Armageddon
Carrion Of War
Reappearance
Cursing The Beheaded
The Arrival Of Dena
Morrigan
The Return...

21.30 Uhr: Zwei weitere Pandas stehen auf der Bühne und warten auf die übrigen Bandmitglieder. Kommt aber keiner. Also schnappt sich Gitarrist Beliar das Mikro und Drummer Balor drumt. Bass? Nicht so wichtig. MORRIGAN heißen die beiden und das Publikum frisst ihnen aus der Hand. Black Metal der rudimentärsten Sorte ertönt, und ich kann zunächst mit dem vertonten Norwegen der beiden gar  nichts anfangen. Beim zweiten (oder war's das dritte?) Lied ändert sich das jedoch schlagartig. MORRIGAN zeigen nun ihre andere Seite. Im krassen Gegensatz zur schwarzmetallischen Raserei geht es bei "Beyond The Green Hills" (vom Album "Enter The Sea Of Flames") jetzt sehr melodisch zu, fette "Aaaahhaaaaahaaaa"-Chöre inklusive. BATHORY lassen grüßen. Wenn das der alte Quorthon wüsste.... Black 'n' Roll? Cool, das habe ich so auch noch nicht gehört.

DEW SCENTEDUm 22.15 Uhr kommt Micha mit der Hiobsbotschaft: "Alter! Nu is' alles aus! Bier ist alle!" Öha, da haben die Veranstalter aber den Durst unserer Kieler Exilsprodde gewaltig unterschätzt... Nun ja, einstweilen unterhalten uns noch "Zwei Mann Inferno from Hell" da oben auf der Bühne und die Crew vom Wehrschloss versucht hektisch, neue Bierreserven anzuzapfen, bevor Micha Amok läuft. In der Umbaupause für DEW SCENTED ist dann auch wieder Bier am Tresen erhältlich und Micha`s Puls rutscht wieder unter die 200er Marke. Noch mal Glück gehabt...

Setlist DEW SCENTED
Unconditional
New Found Pain
Soul Poison
Bitter Conflict
Cities Of The Dead
One By One
Reprisal
Destination Hell
Locked in Motion
Acts Of Rage

DEW SCENTED legen mit "Unconditional" los, und haben die Menge (und auch mich) vom ersten Riff an im Griff. Der jetzt als fester Bassist integrierte Alexander Pahl (zupft die dicken Saiten auch bei OBSCENITY) fügt sich perfekt in den Gesamtsound ein, das Ganze ist technisch einwandfrei und tight wie der viel zitierte Entenarsch. Leider ist der Sound im Saal nicht so gut, vor allem die Vocals von Shouter Leif Jensen könnten besser rüberkommen, aber die Jungs machen dieses Manko durch Spielfreude mehr als wett, außerdem ist der Sound der Instrumental-Fraktion eine Wand. Das Material der Band, das vornehmlich von den beiden letzten Alben "Inwards" (2002) und "Impact" (2003) stammt, lässt keinen Halswirbel im Saal kalt. Und bei meinem persönlichen DEW SCENTED-Lieblingssong "Soul Poison" drehe ich völlig durch und fühle mich wieder wie mit 17. Allerdings nur so lange, bis mich mein Körper daran erinnert, dass das 17 Jahre her ist....

Übrigens ein dickes Lob an die Veranstalter dieses Festivals, die es geschafft haben, sowohl für die Schwarzheimer als auch für die Thrasher und die "Alte Säcke-Fraktion" etwas zu bieten. Und die dann auch noch mit Bands aufwarten, die man sonst nur selten (wenn man von DEW SCENTED absieht) zu sehen bekommt. Respekt! 

Setlist PENTACLE
Intro
For I Am Chaos!
Walking Upon Damnation's Land
Black At Heart
Rides The Moonstorm
Instrumental
Scythes
Witch Of Hell (feat. Martin v. Dr.)
Yielding Towards The Scepter Of Flesh
??? (Neuer Song)
Prophet Of Perdition
Divus de Mortuus

Die Death Metal-Legende PENTACLE aus den Niederlanden übernimmt heute den Rausschmeißer-Part. Old School As Fuck, mit Songstrukturen aus der Death Metal-Steinzeit, holen PENTACLE noch einmal alles aus der Crowd heraus. Die Gitarrenarbeit erinnert stark an die Frühwerke von CELTIC FROST, die völlig kranken Vocals von Shouter Wannes erinnern (natürlich) an ASPHYX und das Publikum geht mächtig ab. Wannes Gubbels (Vocals, Bass) und Mike Verhoeven (Guitars) haben PENTACLE bereits 1990 gegründet. Seitdem hat es diverse Compilation-Beiträge, Demos und Splits gegeben. Die letzte Full-Length CD "...Rides The Moonstorm" ist auch schon wieder sechs Jahre alt und mittlerweile vergriffen. Diverse Line Up-Änderungen, Ärger mit Labels usw. haben wohl eine kontinuierliche Veröffentlichungspolitik zunichte gemacht. Mike hat vor kurzem seinen erst 22-jährigen Bruder Alex Verhoeven als zweiten Gitarristen in die Band geholt, als Ersatz für den Ex-Gitarristen Edwin. Auch der mit seinen 42 Jahren Band-Älteste Robert Smissaert an den Kesseln ist erst seit zwei Jahren bei PENTACLE. In der (aus Zeitgründen leider um ein paar Songs gekürzten) Setlist findet sich neben der kultigen "Witch Of Hell" DEATH-Coverversion (bei der Martin van Drunen noch einmal auf die Bühne geholt wird - Geil!), auch eine Coverversion der Underground-Legende NECROVORE: "Divus de Mortuus". Daumen hoch für eine Band, die den Begriff "Old School" wirklich lebt! 

Fazit: Ein schönes Festival mit größtenteils netten Besuchern (aber auch einigen Einzellern, die für aggressive Stimmung sorgen und einige vermeidbare Gewaltausbrüche verursachen), netten Bediensteten und coolen Bands, die uns einige unvergessliche Momente bescherten. Danke!

"the extreme immer block inne Hand Typ": Uwe Harms   

NOTIZEN AM RANDE:

---Aufgrund der sehr beengten Platzverhältnisse im Wehrschloss und einiger Missverständnisse können die aufspielenden Bands leider ihr Merchandise nicht verticken---Die Platzverhältnisse sorgen auch für einige interessante "Kuschel-Einsätze" vor den Toiletten, wo teilweise gar nichts mehr geht---Der Soundman braucht definitiv ein neues Hörgerät, hat aber ein paar gute Phasen an diesem Abend---Ein Stagediver gräbt seine Kauleiste während des PENTACLE-Gig in den Hallenboden und muss ärztlich versorgt werden. Der Hallenboden zeigt sich - bis auf ein paar Blutflecken - gänzlich unbeeindruckt---Angeblich sind Faschos aus dem Umfeld der Sondershausener Band ABSURD anwesend, auffällig geworden sind sie jedoch nicht weiter---

Auf dem Voices Anniversary Festival soffen, fotografierten und taten wichtig: Uwe Harms, Michael Jehles und Nina Höllerich. The Eastfreezians Will Return!

Bilder vom Festival gibt`s hier